Robustheit vs. Zartheit
Das Crossover der Zora Janković
Sie selbst unterteilt ihr Oeuvre (1) in Skulpturen, Reliefs, Fotografien, Radierungen und Malerei. Vieles ergibt sich gleichzeitig, dialogisch, im organischen Übergang von einem Medium zum anderen. Betrachtet man den Werkprozess der in Berlin lebenden slowenischen Künstlerin in seinen synchronen Entwicklungsschritten und Medien überschreitend, treten Korrespondenzen und Divergenzen deutlich zutage. Es gibt kein Material, das bei ihr Vorrang hätte, wenngleich ihre bildhauerischen Arbeiten, schon der Masse wegen, in den Vordergrund drängen.
Während ihrer Studienzeit in Rom und Venedig zwischen 1998 und 2008 nahm Zora Janković mit vollen Zügen alles auf, was bis heute ihr künstlerisches und intellektuelles Leben bestimmt. „Ich ernähre mich am liebsten von den Klassikern, der Antike, den Schätzen in den Museen.“ (2) Ihre Modernediagnose fällt kurz aus: „Wer die europäischen Traditionslinien verleugnet, negiert die eigenen Grundlagen.“ (3)
Die Künstlerin fasst ihre Werke als aus stereometrischen Teilformen aufgebauten Formkomplex auf. Ihre Entwürfe haben eindeutig einen architektonischen Charakter und signalisieren ihre Verwandtschaft sowohl zu den kubistischen plastischen Körpern nach dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts (z.B. den Entwürfen von Alexander Archipenko oder, später, Georges Vantongerloo) als auch zur Architektur des Brutalismus. Ein Serien-Titel wie „Architekton“ (2016) versteht sich als Kompass sowie als Statement in einer Erbe-Debatte, die heutzutage in der Kunst kaum noch bedient wird. Das wirkt souverän. Zora Janković nimmt die Bedingungen des Kunstmachens ernster als andere. Ihre Serie „Rekonstruktion“ (2017) basiert nicht potenziell auf Expeditionen mit der welthistorischen Wünschelrute, sie fragt klar nach dem antiken, dem klassischen griechischen Erbe, nach unserer Alten Welt, nach Pluralismus und Relativismus. Was Zora Janković modelliert, verweist auf eine Ruinen-Architektur, der die Sorge um Europa eingeschrieben ist.
Dass Beton ein faszinierendes plastisches Material ist, hat Le Corbusier in Vollendung zu unterstreichen gewusst. Unterbewusst hinterließen sicherlich auch die aus der Zeit des sozialistischen Jugoslawien überkommenen Massivbauten und Denkmäler in Beton, die Zora Janković seit ihrer Kindheit und Jugend auf Reisen als Teil ihrer heimatlichen Lebensrealität erleben konnte, bei ihr einen nicht unwesentlichen Eindruck.
Charakteristisch für die „Monumente“-Serie (zwischen 2019 und 2021) oder auch die Reliefs, alle in Beton (z.T. mit Stahl), sind ihre spröden, körnigen, schrundigen Außenseiten. Ihr Äußeres ist im Zeitalter der glatten und glänzenden Benutzerflächen ein Bekenntnis zum rauhen und differenzierten Ausdrucksbild sowie zu dem, was der Entstehungsprozess impliziert. Sie preisen das Haptische und widersetzen sich in unserer z.T. schwer erträglich reglementierten Gegenwart dem Anti-Viralen und Klinisch-Sauberen. Ihre sprechende Kontaktzone ist wie eine Haut, die in den Zufälligkeiten ihrer materiellen Beschaffenheit auch ein Gleichnis für Verletztheit artikuliert. Im Zerklüfteten wohnen die Erinnerung an eine verwundete Körperlichkeit wie auch die Ängste vor zukünftigen Zerstörungen und Beeinträchtigungen der menschlichen Existenz. Was für ein Unterschied zu den blanken Wischflächen der Touchscreens, die uns immer wieder zu kurzen, sinnlosen Fingerbewegungen des Aussortierens verführen.
Zora Janković platziert ihre Skulpturen als lastende und in sich ruhende Körper in einer konsequent gnadenlosen Welt, zu der sie sich wie Gegengewichte verhalten, aber auch als Minikulissen der Verheerung wahrgenommen werden können. Das lässt sie zeitlos authentisch wirken.
Ihre Skulpturen sind massiv, typische Volumenplastiken, die sich in ihrer kubischen Anlage gegen ihren Umraum stemmen. Sie werden in einem Guss auf Basis von Zement, Sand und Wasser hergestellt und danach nicht mehr verändert.
Als Antipoden dazu verhalten sich die vier, nur 20 x 20 x 10 cm kleinen Blöcke der Serie „RM1“ (von 2021) aus grobkörnigem Schweizer Cristallina-Marmor. Die Oberflächen dieser Serie in ihrer feinen grafischen Struktur sind beim Zuschnitt des Steines mit der Diamantsäge entstanden. Diese Rillen wandeln sich in wechselndem Tageslicht zu Emotionsträgern einer spannungsgeladenen inneren Landschaft, die sich in die Weichheit der Natur einzuschmiegen versucht. Als Widerpart zur Robustheit der urbanen Beton-Skulpturen. Das gilt auch für die Serie „Monument III (2021) mit ihren auffälligen Durchbrüchen und Form-Schichtungen aus Carrara-Marmor, Bardiglio Marmor und Cristallina Marmor.
Ihre Reliefs zeichnen sich im Gegensatz zu ihren rundansichtigen Skulpturen durch Wandgebundenheit aus. S1R416, S1R516, S1R216 und S1R316 (alle 2016) sind streng konstruktiv und oberflächenplan bestimmt. Ähnlich verhält es sich mit den Serien „Architekton“ (2016) und „Rekonstruktion“ (2017). In den Jahren danach nimmt der Anteil amorpher Oberflächenbestandteile und Rauhheitswerte zu, die etwas Anarchisches ausstrahlen. Die Möglichkeit, zum ersten Mal so intensiv etwas in Marmor auszuführen, bringt 2021 (4), entsprechend materialgerecht, steinausgewogenen Formzauber und ungeahnte Tasterlebnisse hervor.
Diese Struktur des Crossover, die Überschneidung, Vermischung und Spezifizierung heterogener Sinneserlebnisse gehört zum schlüssigen Wechsel der Atmosphären und Sichtweisen, für die die Kunst von Zora Janković exemplarisch steht.
In der hektischen Wahrnehmungsfülle, die die urbanen Verdichtungen der europäischen Metropolen unserer Physis zumuten, erscheinen die kompakten Kunstwerke von Zora Janković wie Batterien gespeicherter und geerdeter Lebensenergie.
Mit Kulturoptimismus setzt die Künstlerin eigene Raumakzente gegen die Übermacht der Baumassen und die Schrumpfung des Ich-Wertgefühls. Sie stehen gegen die technisierte Entfremdungskälte heutiger Gesellschaften ebenso wie gegen die Verzwergung der menschlichen Widerstandskraft.
Jankovićs Werke sind nie etwas Selbstverständliches, sondern vielmehr ein immerwährend besonderer Zustand. Das Ästhetische ist für diese aufmerksam Beobachtende und Fragende „etwas, das erstritten werden muss“ (5) und das deshalb für sie mit Kenntlichkeit zu tun hat, mit künstlerischem sich Verausgaben, hartnäckiger Beanspruchung.
Was die Künstlerin formt, aufbaut oder aus dem Stein schlägt, ist ein errungener Zustand aus Reibung und Intensität, der verknüpft ist mit Optionen, Ausblick und Hoffnung. Also das Gegenteil von empörter Ratlosigkeit, ungerechtfertigter Materialschlacht, schwerer Ausdrucksverweigerung oder naturalistischem Seelennotdrama, dass für die junge Künstler*innen-Szene in Deutschland derzeit so bezeichnend ist.
Zora Janković geht ihren eigenen Weg. Sie wagt sich ins Freie und weiß zugleich, dass es dort, wo sie steht, keine wirkliche Freiheit gibt. Das Maß an Kompromissen, das sie bereit ist einzugehen, will sie sich freilich nicht von außen diktieren lassen. Ihre Kunst ist deshalb so markant und grundlegend, um den eigenen Sehnsüchten eine Ummantelung zu geben.
Einerseits sind ihre Skulpturen in der Form verknappt und blockhaft vereinfacht, andererseits legt die Künstlerin Wert auf eine belebte, manchmal unruhige, immer detailreiche Mikrostruktur, in denen das freie Spiel von Licht und Schatten vielfältigste Eindrücke kreiert. Als wesentlich und fundamental, treten, gerade auch bei den jüngsten Schöpfungen, die korrespondierende Massenvolumina in unser Blickfeld. Das Konkret-Materielle manifestiert sich im Raum.
Das plastische Faktum ist aber auch immerwährender Anstoß, um das Verhältnis von Helligkeiten und Dunkelzonen zu klären. In Bezug auf die Erlebnisse, die die Skulpturen gewähren, aber noch prononcierter in ihren Fotografien (vgl. hier die „Serie NF713, 2018, 8-teilig, Silbergelatinehandabzug auf Barytpapier, je 26,8 x 17,8 cm, Aufl. 5). Wie spielerisch, sakralisierend und entsakralisierend, formalisierend und zugleich raumöffnend die Künstlerin in diesem Fall vorging, ist sagenhaft. In praktischer Hinsicht verwendete sie nichts Besonderes, lediglich ein paar selbstgefertigte Holz- und Papp-Elemente sowie alten ORWO Film – doch nach den Offenbarungen der Geheimnisse der Fotochemie schien sich der Raum im Wechsel von Positiv und Negativ (wie in ihren Skulpturen) plötzlich zu weiten; eine Ahnung von Unendlichkeit wird jetzt in den Fotos spürbar; ein Tor zu stiller Romantik scheint geöffnet. Zora Janković rhythmisiert Volumina nicht, sie schichtet sie streng und lastend. Grundsätzlich drängt sie nichts zur Immaterialität. Sie fühlt sich eher der Erdverbundenheit als dem Schweben zugehörig. Aber im Fall ihrer Fotografien wagte sie eine unspektakuläre Behauptung im Raum - in Stille und Leichtigkeit jenseits aller Verblockungen des Sehens und Denkens.
Zora Janković ist ständig auf der Suche. Sie schätzt Offenheit und das Unvorhergesehene. Jedes Einzelobjekt, jede Serie hat bei ihr den Status eines risikobereiten Eingeständnisses. Ob nun Ursprung der Kreativität oder Absage an den bürgerlichen Selbsterhaltungsrationalismus – beides gründet in ihrem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Projektionen. So begreift sie sich neben und in ihren Werken als ersten Resonanzraum.
Anmerkungen
(1)
Siehe Website: https://www.zorajankovic.com/de/
(2) / (3) / (5)
Zora Janković im Gespräch mit dem Autor am 20.09.2022 in der Ausstellung der Künstlerin im Stadtlabor B Part, Berlin.
(4)
Zora Janković ist damals für 6 Monate als Artist in Residence zu Gast im CIS, dem neuen Centro Internazionale di Scultura in Peccia in der italienischen Schweiz und „errichtete mit Kanthölzern, Betonkuben und Marmorplatten sockelähnliche Unterbauten. Die Abfolge der Materialien variiert. Die Höhe der improvisierten Piedestale variiert ebenfalls. Die Arbeiten sind in zwei Geraden und in Vierergruppen angeordnet.“ (Marie Therese Bätschmann: Taille directe, in: Annuario 2021, CIS Fondazione Internazionale per la Scultura, Peccia, S. 48
Christoph Tannert
KOMPAKT / B-Part Exhibition / 2022
Die aktuelle Einzelausstellung der in Berlin lebenden Künstlerin Zora Janković (*1978) bei „B-Part Exhibition“ zeigt, wie vielgestaltig und gleichzeitig reduziert das Prinzip der Verdichtung in Skulptur und Bild künstlerisch gefasst sein kann. Indem sich Janković in ihren Arbeiten (Marmor, Beton und Stahl, Fotografie) auf die auch zufälligen Effekte fokussiert, die die genaue Ausführung künstlerischer Techniken in Bildhauerei und Fotografie hervorbringen kann, öffnet sie gedankliche und konkrete Räume hin zu einem konzentrierten formalen Verständnis vermeintlich figurativer Elemente.
Nach „Konstrukt“ und „Konkret“, vorangegangenen Ausstellungen von Zora Janković, nun also: „Kompakt“. Als die Künstlerin nach einem Titel für ihre aktuelle Ausstellung bei „B-Part Exhibition“ suchte, stand dieser Begriff sofort im Raum – und dies mehr als metaphorisch, schwingt bei „kompakt“ doch bereits die Vorstellung von etwas Materiellem, räumlich Ausgedehntem, Skulpturalem mit. Nicht ohne Grund – denn der Faktor, dass die lateinische Vorsilbe „com-/con-“ im Sinn von „völlig“ verwendet werden kann, deutet hier auf die abgeschlossene Arbeit, die definitive Aussage, das künstlerische Statement hin. Dass Jankovićs Titelwahl also auf den Begriff fiel, der auf die Dichte eines Objekts fokussiert und Fragen der Figuration zunächst zurückstellt, ist angesichts der zu sehenden Arbeiten nur folgerichtig:
Die Motive der korrespondierend im Raum verteilten zwei Serien (Fotografie, Marmor) und drei Einzelarbeiten (Beton und Stahl) mögen zwar im Kopf Bilder zu Verwandtschaften der zu sehenden Skulpturen und Bilder etwa zu bestehendem Architektonischen aufrufen, jedoch sind Fragen etwa nach Form und Material für Jankovićs Arbeiten entscheidender als eindeutige bauhistorische Referenzen. So lassen sich die Skulpturen „MONUMENT II.11“ und „MONUMENT II.13“ je nach Positionierung des/der Betrachtenden als grundlegend andere Konfiguration von Material im Raum lesen. Was eben noch auskragte und Fragen nach Stabilität und Schwerkraft aufwarf, wirkt aus um 90 Grad gedrehtem Blickwinkel wie selbstverständlich aufragend und tatsächlich kompakt. Hier wird der Prozess des Betrachtens auch zur Reflexion über den Prozess der Produktion: was an der Form ist material- und technikbedingt, was erscheint willentlich geformt und geplant, was hat sich ergeben, und was ist der Schlüssel zum Verständnis der Arbeiten? Schroffe, gerade, runde, hohle, eckige, wuchtige und geschmeidige Formelemente sind es, die die Künstlerin ihren Arbeiten eingebaut hat, und im Zusammenspiel mit den mal durch den Guss roh belassenen, mal glatt geplätteten Betonelementen zeigen die Skulpturen eine Vielgestaltigkeit, die jenseits des zu Sehenden insbesondere auf den Prozess ihrer Entstehung verweist. Die sich auf dem für den Guss verwendeten Material Gips ergebenden Farbigkeiten in fast allen Schattierungen des Schwarz-weiß-Spektrums verstärken den Effekt, Objekten gegenüberzustehen, deren Thema auch jenes Feld ist, in dem sich Planbarkeit und Zufall treffen.
Mit einem ähnlichen Farbspektrum wie die „MONUMENT“-Skulpturen sind auch die acht Fotografien der „SERIE NF713“ versehen: Janković hat hier kleinformatige zwei- und dreidimensionale, von ihr hergestellte Elemente aus verschiedenen, teils farblich bearbeiteten Materialien mit einem fotografischen Verfahren dokumentiert, bei dem die zu sehenden Filmpositive wie ihr negatives Gegenstück wirken. Der somit verdrehten Differenz der Hell-dunkel-Kontraste fügt Janković eine Komponente hinzu, die sich nur dem geübten Auge sofort erschließt: abwechselnd sind jeweils die subtraktiven Grundfarben Gelb oder Magenta so verwendet, dass im Dialog der Bilder miteinander das abstrakt bleibende Abgebildete mal schärfere, mal weichere Konturen und Flächen aufweist. Nicht zuletzt der Umstand, dass die Künstlerin die für die Herstellung der Bildmotive verwendeten Elemente nach der Produktion der Serie entsorgte, weist darauf hin, dass bei dieser Serie, die auch an Schwarz-weiß-Kontraste erkundende Fotoexperimente aus Avantgarden des 20. Jahrhunderts denken lässt, das Skulpturale nur Mittel zum Zweck ist, das Bildhafte im Zentrum steht.
Nicht ohne Absicht und mit Rücksicht auf den sich verändernden Lichteinfall direkt neben einem Fenster des Ausstellungsraums an der Wand montiert, befinden sich die vier Elemente von Jankovićs jüngster Serie „RM1“ – aus schweizerischem Cristallina-Marmor geschnittenen, von der Künstlerin bearbeiteten Blöcken. Vom Zürcher „Material Archiv“aufgrund der starken Verzahnung der Mineralkörner als „kompakt“ definiert, weist sich das von Janković verwendete Material vor allem durch ein hohes Lichtspiegelungspotenzial aus. Dieses Potenzial nutzend, hat Janković die zum Ausstellungsraum hin weisenden Flächen der vier Marmorblöcke unterschiedlich so bearbeitet, dass bei genauem Hinsehen verschiedenste Lichteffekte entstehen, während die grobe, durch Halbrundungen teil unregelmäßige Form der Blöcke eher Schatten-, als Lichteffekte hervorruft. Beides zusammen verstärkt einen Zustand, in dem die Arbeit als Mischform aus Bild- und skulpturaler Serie besteht, was weiterführende Fragen zum formalen Verständnis der Arbeit aufwirft sowie zur Rolle, die das für Wandarbeiten eher unübliche Material Marmor in diesem Rahmen spielen kann.
Martin Conrads
TAILLE DIRECTE / CIS AIR / 2021
Werkplatz
Zora Janković baute für die Präsentation auf dem Werkplatz des Centro Internazionale di Scultura acht Werke auf, die während ihres sechsmonatigen Aufenthaltes im Rahmen des Programmes Artist in Residence in Peccia entstanden. Die bearbeiteten Marmorstücke von unterschiedlicher Provenienz und Körnigkeit, mit und ohne Äderung, sowie einer Farbigkeit zwischen Weiss und Grau, sind von kleinerem bis mittelgrossem Format. Die Bildhauerin errichtete mit Kanthölzern, Betonkuben und Marmorplatten sockelähnliche Unterbauten. Die Abfolge der Materialien variiert. Die Höhe der improvisierten Piedestale variiert ebenfalls. Die Arbeiten sind in zwei Geraden und in Vierergruppen angeordnet. Wer ein Werk ins Auge fasst, sieht im Augenwinkel immer auch ein zweites oder drittes, ob in der Achse oder in der Diagonale.
Ausbildung und CIS-Projekt
Mit fast zwanzig Jahren brach die junge Frau 1997 von Ljubljana zur Aus- und Weiterbildung in Italien auf. Sie studierte am Istituto Europeo di Design in Rom und absolvierte in Venedig an der Accademia di Belle Arti den Diplom-Studiengang Bildhauerei. 2016 erwarb sie das Meisterschüler- Diplom an der Kunsthochschule Weissensee in Berlin. Eine Vorliebe für Steinguss in Verbindung mit Stahlkonstruktionen begann sich zu manifestieren.(1) Für das Artist in Residence Programm bewarb sich die Künstlerin 2019 von Berlin aus mit einem Projekt, das eine ähnliche Materialkombination vorsah. Sie wollte ihrer ersten Serie «Monument» eine weitere folgen lassen. Sie beabsichtigte, die Thematik weiterzuentwickeln, die sich mit Denkmälern des sozialistischen Jugoslawiens und einer dem «Brutalismus» verpflichteten Architektur auseinandersetzte.(2) In welche Richtung sie dabei vorstossen würde, liess der Projekt-Beschrieb offen. Die Bildhauerin hielt 2021 zunächst an ihrer Idee fest, trotz Verschiebung des AIR Programms um ein Jahr und ihrer seither fortgesetzten Arbeit an den Serien «Monument» in Berlin. Sie bestellte nach ihrem Eintreffen in Peccia Beton und baute Negativformen.(3) Die geplanten Steingüsse wurden jedoch nicht realisiert. Was hielt sie ab?
Das Feuer für Stein entfacht
Zora Janković bekräftigte die Einzigartigkeit des Artists in Residence Programm am CIS und dessen perfekte Infrastruktur für die Arbeit der Bildhauer:innen. Der Grossstadt-Künstlerin gelang inmitten der gewaltigen Natur vom Val Lavizzara Überflüssiges abzustreifen und sich bedingungslos auf ihre Tätigkeit zu konzentrieren. In Peccia packte sie ihre Leidenschaft für den Marmor erneut. Die acht auf dem Werkplatz präsentierten Stücke legen davon Zeugnis ab.
Der Prozess
Wir haben die fertig bearbeiteten Steine im Blick, und ich versuche, den Entstehungsprozess nachzuvollziehen. Was braucht es, damit aus einem Marmorblock ein Werk wird? Zora Jankovićs Vorarbeit setzt mit einer Idee ein, die einer treibenden Kraft, dem Willen, zugeordnet wird. Basierend auf künstlerischer Erfahrung entscheiden Idee und Willen über Beschaffenheit und Proportionen der einzelnen Stücke. Die vorliegenden Blöcke stammten alle aus dem Steinlager der «Scuola».(4) Ihre mittlere Grösse liess sich gut handhaben und mit dem Kran leicht von einer Seite auf die andere drehen. Nach dem Aufbocken eines Stückes werden mit einem Stift Linien markiert, die grosso modo anzeigen, was vom Stein abzuarbeiten ist. Darauf beginnt die Bildhauerin direkt mit der Abarbeit des Steins mittels gehärtetem Stahl, mit Diamantbohrer und - Trennscheibe, Spitz- und Zahneisen und verschiedenen Flachmeisseln. Zora Janković benützte Pressluft und Elektro betriebene Geräte, eine Vorgehensweise, die im Vergleich zur ausschliesslichen Handarbeit mit Meissel und Fäustel radikaler ist.
Taille directe und Intuition
Zora Janković setzt keine vorbereitenden Skizzen oder dreidimensionale Modelle in den Stein um. Sie arbeitet aus der Erfahrung heraus und mit Gefühl voran. Stockt der Arbeitsfluss wegen eines Problems, das Überlegung erfordert, wird innegehalten. Die Bildhauerin wendet sich dann einem anderen Stein zu, um eine früher unterbrochene Arbeit wieder aufzunehmen und fortzusetzen. Janković arbeitet an mehreren Skulpturen nebeneinander. Bei solchem hin und her von Zu- und Abwendung werden Steinmasse reduziert, Schnitte vertieft, Brüche provoziert und Flächen gegeneinander abgesetzt, Ecken ab- und Kanten zurück- wie auch schachtelartige Vertiefungen und Tunnelgänge herausgehauen oder komplette Durchbrüche angelegt. Spuren der Werkzeuge legen sich neben- und übereinander, werden verdichtet. Einige verschwinden zu Gunsten anderer. Einzelne Flächen werden geschliffen, einige auch poliert, andere hingegen bleiben zerfurcht, strukturiert, gezeichnet vom Arbeitsgerät. Das allmähliche Entstehen eines neuen Gebildes zu beschreiben, stellt eine echte Herausforderung dar.
Sprachlos
Die Form ist ungegenständlich und konkret, zum Zeitpunkt der ersten Präsentation noch titellos, ein Fragment, aber auch ein Monument. Das Werk ist das Resultat eines offenen und konzentrierten Arbeitsprozesses. Zora Janković hat weder einen aufgezeichneten Weg verfolgt noch ein im Voraus definiertes Ziel erreicht. Sie liess sich auch vom Stein und seinen Strukturen leiten. Die Bildhauerin spürt auf, entscheidet aus einer Summe von Möglichkeiten und fällt in der Folge intuitiv weitere Entscheidungen, bis sie mit dem aus der kompakten Masse abgebauten, rundum, Seite für Seite, von aussen nach innen konstruierten, ausbalancierten Körper zufrieden ist. Das Werk hat eine Standfläche. Der Anblick einer Seite oder übereck von zwei Seiten bietet nur eingeschränkt Aufschluss über das neu geschaffene Gefüge. Gegenüberliegendes bleibt dem Betrachter vorerst verschlossen. Erst im Umkreisen des Werkes erschliesst sich die Komposition und zeigen sich unerwartete formale Lösungen. Das neu geschaffene dreidimensionale Gebilde setzt sich aus mehreren massiven Polygonen und Hohlkörpern von unterschiedlich grossen Volumina zusammen, die miteinander verbunden sind oder einander kontrastieren, sich vertikal, diagonal oder horizontal verschränken und in einem labilen Gleichgewicht halten.
Die Auseinandersetzung Jankovićs mit der Positiv- und der Negativform knüpftan ihre Steinguss- und Stahlkonstruktionen an. Sie artikuliert sich auch in ihren analogen Schwarzweiss-Fotografien und in den in Grau und Schwarz gemaltenstarken Gouachen. Da die Kontraste in Marmor freilich farblich abgeschwächter ausfallen, verstärkt die Bildhauerin diese wiederum mit unterschiedlichen Neigungen der Flächen und bearbeiteten Oberflächen. Besonderes Augenmerk erheischen Umbrüche, Übergänge und scheinbar Unfertiges wie auch absichtlich Stehengelassenes. Die Details ecken an und irritieren absichtlich.
(1) Vgl. www.zorajankovic.com: Ausstellungen und Publikationen
(2) Vgl. www.centroscultura.ch: Künstler
(3) Eine der vorbereiteten, jedoch unbenützten Negativformen wurde zur Abschluss-Präsentation im Atelier aufgestellt.
(4) Die «Scuola di Scultura» besitzt ein grosses Lager mit unterschiedlichen Steinen, die nach Bedarf auf eine gewünschte Grösse zugesägt werden.
Marie Therese Bätschmann
Concrete / Galerie Rundgänger / 2019
Zora Janković (*1978, Ljubljana, Slowenien; lebt und arbeitet in Berlin) hat ihr Kunststudium in Rom begonnen, in Venedig fortgesetzt und 2016 als Meisterschülerin von Albrecht Schäfer an der Kunsthochschule Berlin Weißensee beendet.
Sowohl die Plastiken an der Wand als auch im Raum bestehen aus massivem Beton und werden als Ganzes gegossen. Sichtbar sind teilweise auch die Stahlelemente, die der Plastik Stabilität verleihen. Die Patina der Arbeiten ist mal glatt, mal rau und wird nach dem Guss nicht weiter bearbeitet, so dass man konkret mit den Arbeitsspuren konfrontiert wird. Die massiven und gleichzeitig fragilen Arbeiten erinnern an den Brutalismus, der vor allem in der Architektur zwischen den 50er und 70er Jahren angewendet wurde und sich heutzutage wieder großer Beliebtheit erfreut. Janković stellt aber keine architektonischen Modelle her, sondern überträgt den Gedanken der konkreten Materie in ein eigenständiges künstlerisches Denken.
Das Werk von Jankovićgeht allerdings über die Bildhauerei hinaus. Auch andere Medien und Techniken geben ihr die Möglichkeit, mit ihrem Formenvokabular zu experimentieren.
Das Negativ-Positiv-Prinzip, das sie auch von ihren Plastiken her kennt, setzt sich in der Beschäftigung mit der Fotografie in einem zweidimensionalen Medium fort. Dafür komponiert sie aus Papier, Pappe und Holz Raumkörper, die extremen Lichtverhältnissen ausgesetzt werden und so den Bildraum ad absurdum führen. Manchmal wirken die Fotografien auch wie mikroskopische Ausschnitte ihrer Plastiken. Bei der Druckgrafik erhält ein malerischer Effekt Einzug in ihr Werk, was vor allem an dem Aquatinta-Druck-Verfahren liegt, das auch schon Goya und Picasso für ihre grafischen Arbeiten schätzten.
Daniel Schierke
MODELL/SKULPTUR / B-Part Exhibition / 2019
Auch Zora Janković arbeitet mit einem Fokus auf architektonische Details: In ihrer Skulptur "Rekonstruktion 4" klingt die konstruktivistisch-räumliche Signifikanz des konformistischen Internationalen Stils an. Die Reduktion auf die Materialien Beton und Stahl, die unbehandelten "rohen" Oberflächen, zeichnen die Skulpturen Jankovićs aus. Reste, Flecken der Verschalungen, die noch am Beton anhaften, tragen zur rauen Stofflichkeit des massiven Materials bei. Angedeutete Schwere, Schatten, Strukturen und vor allem die Linien, Winkel und Brüche stehen im Dialog mit der dekonstruierten Funktionalität und Dimension der Skulpturen. Schwarze und weiße Flächen - Schattenspiegelungen - unterstreichen die Plastizität. Im Kontext von Modell / Skulptur beginnt die Arbeit, gemeinsam mit den den Park am Gleisdreieck so eindrücklich charakterisierenden architektonischen und baukonstruktiven Elementen der Hochbahntrassen, gleichsam in einem Status jenseits aller Funktionen zu schwingen.
Martin Conrads
KONKRET / Galerie Bernau / 2018
Was sich im öffentlichen Raum als brutalistische Baukunst identifizieren lässt, wird gemeinhin nur von einem Spezialisten-Grüppchen goutiert. Diese Genießer der langsam wieder in den Diskurs einfließenden klobigen architektonischen Zukunftsverheißungen haben uns immerhin die Augen geöffnet für die Spezifik jenes Stils und seine Verankerung in den Utopievorstellungen der Moderne.
Die geometrischen Körper von Zora Janković lassen uns eine sanfte Gewalt des Konstruktiven spüren. Wenn man also Vergleiche ziehen wollte zwischen dem Beton-Purismus der Brutalisten und den Skulpturen von Zora Janković, wäre Jankovićs Formauffassung zuallererst als Essenz eines lyrisch-flächigen Licht-Schatten-Stils zu unterstreichen. Und deren melancholische Sanftheit, die sich insbesondere in den Parallelspuren ihrer künstlerischen Grafik und Fotografie offenbart, ist von ganz anderer Temperatur als alles, was als brutalistisch bezeichnet werden könnte.Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Janković ihre höchst verschiedenen Stofflichkeiten in Gestalt von Beton, Stahl, Papier und Licht zusammenführt, um die Diktatur des rechten Winkels gründlich zu desavouieren und zu erweichen. Entwickelt man einen Sensus für die so verstandene Eigenart ästhetischer Opposition stellt sich schnell ein fühlbares Vergnügen ein. Statt donnernder Paukenschläge komponiert Zora Janković ihre Skulpturen leichthändig, aber mit chirurgischer Präzision. Positiv- und Negativformen, zusätzlich farbig unterstrichen, ergeben in sich ruhende minimalistische Kubenformationen. Mal monolithisch wirkend, mal beschwingt wissen sie ihre als angenehm zu empfindende Raumpräsenz zu behaupten.
Christoph Tannert
27.SÄCHSISCHES DRUCKGRAFIK.SYMPOSION / Künstlerhaus Hohenossig / 2017
Zora Janković stammt aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana und lebt - nach mehrjärigem Aufenthalt in Italien - seit 2008 in Berlin. Sie studierte Fotografie, Design, Grafik und Bildhauerei in ihrer Geburtstsadt sowie in Rom, Venedig und Berlin. An der dortigen Kunsthochschule Weißensee erwarb sie 2015 ihr Diplom und ein Jahr später den Meisterschülerabschluss. Sie hat ihren Lebensmittelpunkt bis heute in der deutschen Hauptstadt. Ihr bildhauerisches OEuvre ist bestimmt von konstruktiven, den Raum ergreifenden und zudem in sich selber Räume schaffende Plastiken. Dafür nutzt Zora Janković sowohl Stahlelemente wie auch massiven Beton, in welchem sie die als Negativformen erarbeiteten Konstruktionen als Ganzes durch Guss ausführt. Die Verschränkung von negativen und positiven Formen gelingt der Künstlerin auch hin zu einer dynamisierten Wirkung. Bewusst alle Varianten von Grau in Kombination mit Schwarz und Weiß ausnutzend, schafft Zora Janković ganz eigene architektonische Stücke. Ein änliches Prinzip führt sie zu ihren fotografischen Arbeiten. Speziell für diese baut sie Raumkörperkonstruktionen, die sie kombinieren und variabel zusammenfügen kann. Für die Aufnahmen mit der Kamera spielt Licht als weiteres Element eine wichtige Rolle. Mit seiner Führung bestimmt die Künstlerin, was die Fotografie auch an Körperlichkeit transportiert. Die in der Radierung erfahrene Zora Janković hat sich in Hohenossig ganz bewusst herausgefordert, ihr plastiches Prinzip und den fotografischen Ausdruck in ein weiteres zweidimensionales Medium zu übertragen. In kraftvollem Schwarz/Weiß ist ihr dies in mehreren Blättern gelungen.
Christine Dorothea Hölzig
Formwandel / galerie weisser elefant / 2016
Zora Janković studierte vor allem Bildhauerei, aber auch Grafik und Fotografie in Ljubljana, Rom, Venedig und Berlin. Ihre konstruktiven, räumlich verschränkten Skulpturen können aus fragilen Stahl-Fragmenten komponiert sein oder bestehen aus massivem Beton, als geometrische Körper in Negativformen als Ganzes konzipiert und direkt im Guss ausgeführt. Zu deren Wirkung schrieb Matthias Bleyl genau beobachtend: „Anders als in der traditionellen Skulptur steigert hier die Farbgebung nicht die plastische Wirkung der oft mit geraden Linien und rechten Winkeln komponierten Objekte… Da diese aber – unabhängig von ihrer räumlichen Erstreckung – in drei Tönen erscheinen und selbst dem räumlichen Helldunkel unterworfen sind, treten Widersprüche zwischen Farbton und räumlicher Position auf. Diese führen letztlich zu einer Steigerung der ohnehin schon komplexenräumlichen Struktur.“ Zu ihrer Fotografie sagt die Künstlerin selbst: „Das Ergebnis sind durch Licht und Schatten abstrahierte zweidimensionale Arbeiten, die trotzdem ihre dreidimensionale Objektherkunft transportieren. Diese Fotografien mit ihren schwarz-weiß-Abstufungen, ihren Kontrasten und Schattenverläufen besitzen eine eigene Räumlichkeit innerhalb der fotografischen Struktur“.
Ralf Bartholomäus
KONSTRUKT / galerie haus 23 / 2014
Wohl kein anderer Kontrast ist derart grundsätzlich wie der Gegensatz von Hell und Dunkel. Dies gilt keineswegs nur für die Kunst, sondern ganz existentiell – man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, wie stark wir in den ständigen Wechsel von Tag und Nacht eingebunden sind. Treten zu den beiden Extremen Schwarz und Weiß noch Grautöne, als beider Mischung, so leisten diese drei unbunten Farbwerte in der Kunst die einfachste Verbildlichung von Plastizität auf der Fläche, am häufigsten wohl in grafischen Medien. Einen von Hell zu Dunkel modulierten, zweidimensionalen Gegenstand sehen und empfinden wir als Volumen. Außer Fotos, in denen einfache weiße Körper durch entsprechend harte Beleuchtung eine breite Spannweite von Grauwerten bis hin zum Schwarz erzeugen, fertigt Zora Janković Objekte durch Betonguss an, die außer ihrer schon meist komplexen Körperlichkeit auch noch Schwarz-, Weiß- und Grautöne zeigen. Mit der Oberfläche des mehr oder weniger grauen Beton haben sich nämlich teilweise noch schwarze und weiße Papierreste der nach dem Guss entfernten Verschalung fest verbunden. Es handelt sich also nicht um nachträgliche Retuschen oder eine Farbfassung zur Imitation eines stofflichen oder plastischen Effekts,sondern um eine materialbedingte, von vornherein einkalkulierte Farbigkeit der Objekte in Schwarz, Grau und Weiß. Anders als in der traditionellen Skulptur steigert hier die Farbgebung nicht die plastische Wirkung der oft mit geraden Linien und annähernd rechten Winkeln komponierten Objekte. Stellt man sich diese in einem Gedankenexperiment einfarbig vor, etwa nur grau, dann würde dem Auge über den Grad an Helligkeit bzw. Dunkelheit sehr genau die räumliche Position des entsprechenden Teils signalisiert. Da nun aber die Objekte, unabhängig von ihrer räumlichen Erstreckung, in drei Tönen erscheinen und diese selbst dem räumlichen Helldunkel unterworfen sind, treten Widersprüche zwischen Farbton und räumlicher Position auf. Diese führen letztlich zu einer deutlichen Steigerung der ohnehin schon komplexen räumlichen Struktur der Objekte.
Matthias Bleyl
Robustheit vs. Zartheit
Das Crossover der Zora Janković
Sie selbst unterteilt ihr Oeuvre (1) in Skulpturen, Reliefs, Fotografien, Radierungen und Malerei. Vieles ergibt sich gleichzeitig, dialogisch, im organischen Übergang von einem Medium zum anderen. Betrachtet man den Werkprozess der in Berlin lebenden slowenischen Künstlerin in seinen synchronen Entwicklungsschritten und Medien überschreitend, treten Korrespondenzen und Divergenzen deutlich zutage. Es gibt kein Material, das bei ihr Vorrang hätte, wenngleich ihre bildhauerischen Arbeiten, schon der Masse wegen, in den Vordergrund drängen.
Während ihrer Studienzeit in Rom und Venedig zwischen 1998 und 2008 nahm Zora Janković mit vollen Zügen alles auf, was bis heute ihr künstlerisches und intellektuelles Leben bestimmt. „Ich ernähre mich am liebsten von den Klassikern, der Antike, den Schätzen in den Museen.“ (2) Ihre Modernediagnose fällt kurz aus: „Wer die europäischen Traditionslinien verleugnet, negiert die eigenen Grundlagen.“ (3)
Die Künstlerin fasst ihre Werke als aus stereometrischen Teilformen aufgebauten Formkomplex auf. Ihre Entwürfe haben eindeutig einen architektonischen Charakter und signalisieren ihre Verwandtschaft sowohl zu den kubistischen plastischen Körpern nach dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts (z.B. den Entwürfen von Alexander Archipenko oder, später, Georges Vantongerloo) als auch zur Architektur des Brutalismus. Ein Serien-Titel wie „Architekton“ (2016) versteht sich als Kompass sowie als Statement in einer Erbe-Debatte, die heutzutage in der Kunst kaum noch bedient wird. Das wirkt souverän. Zora Janković nimmt die Bedingungen des Kunstmachens ernster als andere. Ihre Serie „Rekonstruktion“ (2017) basiert nicht potenziell auf Expeditionen mit der welthistorischen Wünschelrute, sie fragt klar nach dem antiken, dem klassischen griechischen Erbe, nach unserer Alten Welt, nach Pluralismus und Relativismus. Was Zora Janković modelliert, verweist auf eine Ruinen-Architektur, der die Sorge um Europa eingeschrieben ist.
Dass Beton ein faszinierendes plastisches Material ist, hat Le Corbusier in Vollendung zu unterstreichen gewusst. Unterbewusst hinterließen sicherlich auch die aus der Zeit des sozialistischen Jugoslawien überkommenen Massivbauten und Denkmäler in Beton, die Zora Janković seit ihrer Kindheit und Jugend auf Reisen als Teil ihrer heimatlichen Lebensrealität erleben konnte, bei ihr einen nicht unwesentlichen Eindruck.
Charakteristisch für die „Monumente“-Serie (zwischen 2019 und 2021) oder auch die Reliefs, alle in Beton (z.T. mit Stahl), sind ihre spröden, körnigen, schrundigen Außenseiten. Ihr Äußeres ist im Zeitalter der glatten und glänzenden Benutzerflächen ein Bekenntnis zum rauhen und differenzierten Ausdrucksbild sowie zu dem, was der Entstehungsprozess impliziert. Sie preisen das Haptische und widersetzen sich in unserer z.T. schwer erträglich reglementierten Gegenwart dem Anti-Viralen und Klinisch-Sauberen. Ihre sprechende Kontaktzone ist wie eine Haut, die in den Zufälligkeiten ihrer materiellen Beschaffenheit auch ein Gleichnis für Verletztheit artikuliert. Im Zerklüfteten wohnen die Erinnerung an eine verwundete Körperlichkeit wie auch die Ängste vor zukünftigen Zerstörungen und Beeinträchtigungen der menschlichen Existenz. Was für ein Unterschied zu den blanken Wischflächen der Touchscreens, die uns immer wieder zu kurzen, sinnlosen Fingerbewegungen des Aussortierens verführen.
Zora Janković platziert ihre Skulpturen als lastende und in sich ruhende Körper in einer konsequent gnadenlosen Welt, zu der sie sich wie Gegengewichte verhalten, aber auch als Minikulissen der Verheerung wahrgenommen werden können. Das lässt sie zeitlos authentisch wirken.
Ihre Skulpturen sind massiv, typische Volumenplastiken, die sich in ihrer kubischen Anlage gegen ihren Umraum stemmen. Sie werden in einem Guss auf Basis von Zement, Sand und Wasser hergestellt und danach nicht mehr verändert.
Als Antipoden dazu verhalten sich die vier, nur 20 x 20 x 10 cm kleinen Blöcke der Serie „RM1“ (von 2021) aus grobkörnigem Schweizer Cristallina-Marmor. Die Oberflächen dieser Serie in ihrer feinen grafischen Struktur sind beim Zuschnitt des Steines mit der Diamantsäge entstanden. Diese Rillen wandeln sich in wechselndem Tageslicht zu Emotionsträgern einer spannungsgeladenen inneren Landschaft, die sich in die Weichheit der Natur einzuschmiegen versucht. Als Widerpart zur Robustheit der urbanen Beton-Skulpturen. Das gilt auch für die Serie „Monument III (2021) mit ihren auffälligen Durchbrüchen und Form-Schichtungen aus Carrara-Marmor, Bardiglio Marmor und Cristallina Marmor.
Ihre Reliefs zeichnen sich im Gegensatz zu ihren rundansichtigen Skulpturen durch Wandgebundenheit aus. S1R416, S1R516, S1R216 und S1R316 (alle 2016) sind streng konstruktiv und oberflächenplan bestimmt. Ähnlich verhält es sich mit den Serien „Architekton“ (2016) und „Rekonstruktion“ (2017). In den Jahren danach nimmt der Anteil amorpher Oberflächenbestandteile und Rauhheitswerte zu, die etwas Anarchisches ausstrahlen. Die Möglichkeit, zum ersten Mal so intensiv etwas in Marmor auszuführen, bringt 2021 (4), entsprechend materialgerecht, steinausgewogenen Formzauber und ungeahnte Tasterlebnisse hervor.
Diese Struktur des Crossover, die Überschneidung, Vermischung und Spezifizierung heterogener Sinneserlebnisse gehört zum schlüssigen Wechsel der Atmosphären und Sichtweisen, für die die Kunst von Zora Janković exemplarisch steht.
In der hektischen Wahrnehmungsfülle, die die urbanen Verdichtungen der europäischen Metropolen unserer Physis zumuten, erscheinen die kompakten Kunstwerke von Zora Janković wie Batterien gespeicherter und geerdeter Lebensenergie.
Mit Kulturoptimismus setzt die Künstlerin eigene Raumakzente gegen die Übermacht der Baumassen und die Schrumpfung des Ich-Wertgefühls. Sie stehen gegen die technisierte Entfremdungskälte heutiger Gesellschaften ebenso wie gegen die Verzwergung der menschlichen Widerstandskraft.
Jankovićs Werke sind nie etwas Selbstverständliches, sondern vielmehr ein immerwährend besonderer Zustand. Das Ästhetische ist für diese aufmerksam Beobachtende und Fragende „etwas, das erstritten werden muss“ (5) und das deshalb für sie mit Kenntlichkeit zu tun hat, mit künstlerischem sich Verausgaben, hartnäckiger Beanspruchung.
Was die Künstlerin formt, aufbaut oder aus dem Stein schlägt, ist ein errungener Zustand aus Reibung und Intensität, der verknüpft ist mit Optionen, Ausblick und Hoffnung. Also das Gegenteil von empörter Ratlosigkeit, ungerechtfertigter Materialschlacht, schwerer Ausdrucksverweigerung oder naturalistischem Seelennotdrama, dass für die junge Künstler*innen-Szene in Deutschland derzeit so bezeichnend ist.
Zora Janković geht ihren eigenen Weg. Sie wagt sich ins Freie und weiß zugleich, dass es dort, wo sie steht, keine wirkliche Freiheit gibt. Das Maß an Kompromissen, das sie bereit ist einzugehen, will sie sich freilich nicht von außen diktieren lassen. Ihre Kunst ist deshalb so markant und grundlegend, um den eigenen Sehnsüchten eine Ummantelung zu geben.
Einerseits sind ihre Skulpturen in der Form verknappt und blockhaft vereinfacht, andererseits legt die Künstlerin Wert auf eine belebte, manchmal unruhige, immer detailreiche Mikrostruktur, in denen das freie Spiel von Licht und Schatten vielfältigste Eindrücke kreiert. Als wesentlich und fundamental, treten, gerade auch bei den jüngsten Schöpfungen, die korrespondierende Massenvolumina in unser Blickfeld. Das Konkret-Materielle manifestiert sich im Raum.
Das plastische Faktum ist aber auch immerwährender Anstoß, um das Verhältnis von Helligkeiten und Dunkelzonen zu klären. In Bezug auf die Erlebnisse, die die Skulpturen gewähren, aber noch prononcierter in ihren Fotografien (vgl. hier die „Serie NF713, 2018, 8-teilig, Silbergelatinehandabzug auf Barytpapier, je 26,8 x 17,8 cm, Aufl. 5). Wie spielerisch, sakralisierend und entsakralisierend, formalisierend und zugleich raumöffnend die Künstlerin in diesem Fall vorging, ist sagenhaft. In praktischer Hinsicht verwendete sie nichts Besonderes, lediglich ein paar selbstgefertigte Holz- und Papp-Elemente sowie alten ORWO Film – doch nach den Offenbarungen der Geheimnisse der Fotochemie schien sich der Raum im Wechsel von Positiv und Negativ (wie in ihren Skulpturen) plötzlich zu weiten; eine Ahnung von Unendlichkeit wird jetzt in den Fotos spürbar; ein Tor zu stiller Romantik scheint geöffnet. Zora Janković rhythmisiert Volumina nicht, sie schichtet sie streng und lastend. Grundsätzlich drängt sie nichts zur Immaterialität. Sie fühlt sich eher der Erdverbundenheit als dem Schweben zugehörig. Aber im Fall ihrer Fotografien wagte sie eine unspektakuläre Behauptung im Raum - in Stille und Leichtigkeit jenseits aller Verblockungen des Sehens und Denkens.
Zora Janković ist ständig auf der Suche. Sie schätzt Offenheit und das Unvorhergesehene. Jedes Einzelobjekt, jede Serie hat bei ihr den Status eines risikobereiten Eingeständnisses. Ob nun Ursprung der Kreativität oder Absage an den bürgerlichen Selbsterhaltungsrationalismus – beides gründet in ihrem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Projektionen. So begreift sie sich neben und in ihren Werken als ersten Resonanzraum.
Anmerkungen
(1)
Siehe Website: https://www.zorajankovic.com/de/
(2) / (3) / (5)
Zora Janković im Gespräch mit dem Autor am 20.09.2022 in der Ausstellung der Künstlerin im Stadtlabor B Part, Berlin.
(4)
Zora Janković ist damals für 6 Monate als Artist in Residence zu Gast im CIS, dem neuen Centro Internazionale di Scultura in Peccia in der italienischen Schweiz und „errichtete mit Kanthölzern, Betonkuben und Marmorplatten sockelähnliche Unterbauten. Die Abfolge der Materialien variiert. Die Höhe der improvisierten Piedestale variiert ebenfalls. Die Arbeiten sind in zwei Geraden und in Vierergruppen angeordnet.“ (Marie Therese Bätschmann: Taille directe, in: Annuario 2021, CIS Fondazione Internazionale per la Scultura, Peccia, S. 48
Christoph Tannert
KOMPAKT / B-Part Exhibition / 2022
Die aktuelle Einzelausstellung der in Berlin lebenden Künstlerin Zora Janković (*1978) bei „B-Part Exhibition“ zeigt, wie vielgestaltig und gleichzeitig reduziert das Prinzip der Verdichtung in Skulptur und Bild künstlerisch gefasst sein kann. Indem sich Janković in ihren Arbeiten (Marmor, Beton und Stahl, Fotografie) auf die auch zufälligen Effekte fokussiert, die die genaue Ausführung künstlerischer Techniken in Bildhauerei und Fotografie hervorbringen kann, öffnet sie gedankliche und konkrete Räume hin zu einem konzentrierten formalen Verständnis vermeintlich figurativer Elemente.
Nach „Konstrukt“ und „Konkret“, vorangegangenen Ausstellungen von Zora Janković, nun also: „Kompakt“. Als die Künstlerin nach einem Titel für ihre aktuelle Ausstellung bei „B-Part Exhibition“ suchte, stand dieser Begriff sofort im Raum – und dies mehr als metaphorisch, schwingt bei „kompakt“ doch bereits die Vorstellung von etwas Materiellem, räumlich Ausgedehntem, Skulpturalem mit. Nicht ohne Grund – denn der Faktor, dass die lateinische Vorsilbe „com-/con-“ im Sinn von „völlig“ verwendet werden kann, deutet hier auf die abgeschlossene Arbeit, die definitive Aussage, das künstlerische Statement hin. Dass Jankovićs Titelwahl also auf den Begriff fiel, der auf die Dichte eines Objekts fokussiert und Fragen der Figuration zunächst zurückstellt, ist angesichts der zu sehenden Arbeiten nur folgerichtig:
Die Motive der korrespondierend im Raum verteilten zwei Serien (Fotografie, Marmor) und drei Einzelarbeiten (Beton und Stahl) mögen zwar im Kopf Bilder zu Verwandtschaften der zu sehenden Skulpturen und Bilder etwa zu bestehendem Architektonischen aufrufen, jedoch sind Fragen etwa nach Form und Material für Jankovićs Arbeiten entscheidender als eindeutige bauhistorische Referenzen. So lassen sich die Skulpturen „MONUMENT II.11“ und „MONUMENT II.13“ je nach Positionierung des/der Betrachtenden als grundlegend andere Konfiguration von Material im Raum lesen. Was eben noch auskragte und Fragen nach Stabilität und Schwerkraft aufwarf, wirkt aus um 90 Grad gedrehtem Blickwinkel wie selbstverständlich aufragend und tatsächlich kompakt. Hier wird der Prozess des Betrachtens auch zur Reflexion über den Prozess der Produktion: was an der Form ist material- und technikbedingt, was erscheint willentlich geformt und geplant, was hat sich ergeben, und was ist der Schlüssel zum Verständnis der Arbeiten? Schroffe, gerade, runde, hohle, eckige, wuchtige und geschmeidige Formelemente sind es, die die Künstlerin ihren Arbeiten eingebaut hat, und im Zusammenspiel mit den mal durch den Guss roh belassenen, mal glatt geplätteten Betonelementen zeigen die Skulpturen eine Vielgestaltigkeit, die jenseits des zu Sehenden insbesondere auf den Prozess ihrer Entstehung verweist. Die sich auf dem für den Guss verwendeten Material Gips ergebenden Farbigkeiten in fast allen Schattierungen des Schwarz-weiß-Spektrums verstärken den Effekt, Objekten gegenüberzustehen, deren Thema auch jenes Feld ist, in dem sich Planbarkeit und Zufall treffen.
Mit einem ähnlichen Farbspektrum wie die „MONUMENT“-Skulpturen sind auch die acht Fotografien der „SERIE NF713“ versehen: Janković hat hier kleinformatige zwei- und dreidimensionale, von ihr hergestellte Elemente aus verschiedenen, teils farblich bearbeiteten Materialien mit einem fotografischen Verfahren dokumentiert, bei dem die zu sehenden Filmpositive wie ihr negatives Gegenstück wirken. Der somit verdrehten Differenz der Hell-dunkel-Kontraste fügt Janković eine Komponente hinzu, die sich nur dem geübten Auge sofort erschließt: abwechselnd sind jeweils die subtraktiven Grundfarben Gelb oder Magenta so verwendet, dass im Dialog der Bilder miteinander das abstrakt bleibende Abgebildete mal schärfere, mal weichere Konturen und Flächen aufweist. Nicht zuletzt der Umstand, dass die Künstlerin die für die Herstellung der Bildmotive verwendeten Elemente nach der Produktion der Serie entsorgte, weist darauf hin, dass bei dieser Serie, die auch an Schwarz-weiß-Kontraste erkundende Fotoexperimente aus Avantgarden des 20. Jahrhunderts denken lässt, das Skulpturale nur Mittel zum Zweck ist, das Bildhafte im Zentrum steht.
Nicht ohne Absicht und mit Rücksicht auf den sich verändernden Lichteinfall direkt neben einem Fenster des Ausstellungsraums an der Wand montiert, befinden sich die vier Elemente von Jankovićs jüngster Serie „RM1“ – aus schweizerischem Cristallina-Marmor geschnittenen, von der Künstlerin bearbeiteten Blöcken. Vom Zürcher „Material Archiv“aufgrund der starken Verzahnung der Mineralkörner als „kompakt“ definiert, weist sich das von Janković verwendete Material vor allem durch ein hohes Lichtspiegelungspotenzial aus. Dieses Potenzial nutzend, hat Janković die zum Ausstellungsraum hin weisenden Flächen der vier Marmorblöcke unterschiedlich so bearbeitet, dass bei genauem Hinsehen verschiedenste Lichteffekte entstehen, während die grobe, durch Halbrundungen teil unregelmäßige Form der Blöcke eher Schatten-, als Lichteffekte hervorruft. Beides zusammen verstärkt einen Zustand, in dem die Arbeit als Mischform aus Bild- und skulpturaler Serie besteht, was weiterführende Fragen zum formalen Verständnis der Arbeit aufwirft sowie zur Rolle, die das für Wandarbeiten eher unübliche Material Marmor in diesem Rahmen spielen kann.
Martin Conrads
TAILLE DIRECTE / CIS AIR / 2021
Werkplatz
Zora Janković baute für die Präsentation auf dem Werkplatz des Centro Internazionale di Scultura acht Werke auf, die während ihres sechsmonatigen Aufenthaltes im Rahmen des Programmes Artist in Residence in Peccia entstanden. Die bearbeiteten Marmorstücke von unterschiedlicher Provenienz und Körnigkeit, mit und ohne Äderung, sowie einer Farbigkeit zwischen Weiss und Grau, sind von kleinerem bis mittelgrossem Format. Die Bildhauerin errichtete mit Kanthölzern, Betonkuben und Marmorplatten sockelähnliche Unterbauten. Die Abfolge der Materialien variiert. Die Höhe der improvisierten Piedestale variiert ebenfalls. Die Arbeiten sind in zwei Geraden und in Vierergruppen angeordnet. Wer ein Werk ins Auge fasst, sieht im Augenwinkel immer auch ein zweites oder drittes, ob in der Achse oder in der Diagonale.
Ausbildung und CIS-Projekt
Mit fast zwanzig Jahren brach die junge Frau 1997 von Ljubljana zur Aus- und Weiterbildung in Italien auf. Sie studierte am Istituto Europeo di Design in Rom und absolvierte in Venedig an der Accademia di Belle Arti den Diplom-Studiengang Bildhauerei. 2016 erwarb sie das Meisterschüler- Diplom an der Kunsthochschule Weissensee in Berlin. Eine Vorliebe für Steinguss in Verbindung mit Stahlkonstruktionen begann sich zu manifestieren.(1) Für das Artist in Residence Programm bewarb sich die Künstlerin 2019 von Berlin aus mit einem Projekt, das eine ähnliche Materialkombination vorsah. Sie wollte ihrer ersten Serie «Monument» eine weitere folgen lassen. Sie beabsichtigte, die Thematik weiterzuentwickeln, die sich mit Denkmälern des sozialistischen Jugoslawiens und einer dem «Brutalismus» verpflichteten Architektur auseinandersetzte.(2) In welche Richtung sie dabei vorstossen würde, liess der Projekt-Beschrieb offen. Die Bildhauerin hielt 2021 zunächst an ihrer Idee fest, trotz Verschiebung des AIR Programms um ein Jahr und ihrer seither fortgesetzten Arbeit an den Serien «Monument» in Berlin. Sie bestellte nach ihrem Eintreffen in Peccia Beton und baute Negativformen.(3) Die geplanten Steingüsse wurden jedoch nicht realisiert. Was hielt sie ab?
Das Feuer für Stein entfacht
Zora Janković bekräftigte die Einzigartigkeit des Artists in Residence Programm am CIS und dessen perfekte Infrastruktur für die Arbeit der Bildhauer:innen. Der Grossstadt-Künstlerin gelang inmitten der gewaltigen Natur vom Val Lavizzara Überflüssiges abzustreifen und sich bedingungslos auf ihre Tätigkeit zu konzentrieren. In Peccia packte sie ihre Leidenschaft für den Marmor erneut. Die acht auf dem Werkplatz präsentierten Stücke legen davon Zeugnis ab.
Der Prozess
Wir haben die fertig bearbeiteten Steine im Blick, und ich versuche, den Entstehungsprozess nachzuvollziehen. Was braucht es, damit aus einem Marmorblock ein Werk wird? Zora Jankovićs Vorarbeit setzt mit einer Idee ein, die einer treibenden Kraft, dem Willen, zugeordnet wird. Basierend auf künstlerischer Erfahrung entscheiden Idee und Willen über Beschaffenheit und Proportionen der einzelnen Stücke. Die vorliegenden Blöcke stammten alle aus dem Steinlager der «Scuola».(4) Ihre mittlere Grösse liess sich gut handhaben und mit dem Kran leicht von einer Seite auf die andere drehen. Nach dem Aufbocken eines Stückes werden mit einem Stift Linien markiert, die grosso modo anzeigen, was vom Stein abzuarbeiten ist. Darauf beginnt die Bildhauerin direkt mit der Abarbeit des Steins mittels gehärtetem Stahl, mit Diamantbohrer und - Trennscheibe, Spitz- und Zahneisen und verschiedenen Flachmeisseln. Zora Janković benützte Pressluft und Elektro betriebene Geräte, eine Vorgehensweise, die im Vergleich zur ausschliesslichen Handarbeit mit Meissel und Fäustel radikaler ist.
Taille directe und Intuition
Zora Janković setzt keine vorbereitenden Skizzen oder dreidimensionale Modelle in den Stein um. Sie arbeitet aus der Erfahrung heraus und mit Gefühl voran. Stockt der Arbeitsfluss wegen eines Problems, das Überlegung erfordert, wird innegehalten. Die Bildhauerin wendet sich dann einem anderen Stein zu, um eine früher unterbrochene Arbeit wieder aufzunehmen und fortzusetzen. Janković arbeitet an mehreren Skulpturen nebeneinander. Bei solchem hin und her von Zu- und Abwendung werden Steinmasse reduziert, Schnitte vertieft, Brüche provoziert und Flächen gegeneinander abgesetzt, Ecken ab- und Kanten zurück- wie auch schachtelartige Vertiefungen und Tunnelgänge herausgehauen oder komplette Durchbrüche angelegt. Spuren der Werkzeuge legen sich neben- und übereinander, werden verdichtet. Einige verschwinden zu Gunsten anderer. Einzelne Flächen werden geschliffen, einige auch poliert, andere hingegen bleiben zerfurcht, strukturiert, gezeichnet vom Arbeitsgerät. Das allmähliche Entstehen eines neuen Gebildes zu beschreiben, stellt eine echte Herausforderung dar.
Sprachlos
Die Form ist ungegenständlich und konkret, zum Zeitpunkt der ersten Präsentation noch titellos, ein Fragment, aber auch ein Monument. Das Werk ist das Resultat eines offenen und konzentrierten Arbeitsprozesses. Zora Janković hat weder einen aufgezeichneten Weg verfolgt noch ein im Voraus definiertes Ziel erreicht. Sie liess sich auch vom Stein und seinen Strukturen leiten. Die Bildhauerin spürt auf, entscheidet aus einer Summe von Möglichkeiten und fällt in der Folge intuitiv weitere Entscheidungen, bis sie mit dem aus der kompakten Masse abgebauten, rundum, Seite für Seite, von aussen nach innen konstruierten, ausbalancierten Körper zufrieden ist. Das Werk hat eine Standfläche. Der Anblick einer Seite oder übereck von zwei Seiten bietet nur eingeschränkt Aufschluss über das neu geschaffene Gefüge. Gegenüberliegendes bleibt dem Betrachter vorerst verschlossen. Erst im Umkreisen des Werkes erschliesst sich die Komposition und zeigen sich unerwartete formale Lösungen. Das neu geschaffene dreidimensionale Gebilde setzt sich aus mehreren massiven Polygonen und Hohlkörpern von unterschiedlich grossen Volumina zusammen, die miteinander verbunden sind oder einander kontrastieren, sich vertikal, diagonal oder horizontal verschränken und in einem labilen Gleichgewicht halten.
Die Auseinandersetzung Jankovićs mit der Positiv- und der Negativform knüpftan ihre Steinguss- und Stahlkonstruktionen an. Sie artikuliert sich auch in ihren analogen Schwarzweiss-Fotografien und in den in Grau und Schwarz gemaltenstarken Gouachen. Da die Kontraste in Marmor freilich farblich abgeschwächter ausfallen, verstärkt die Bildhauerin diese wiederum mit unterschiedlichen Neigungen der Flächen und bearbeiteten Oberflächen. Besonderes Augenmerk erheischen Umbrüche, Übergänge und scheinbar Unfertiges wie auch absichtlich Stehengelassenes. Die Details ecken an und irritieren absichtlich.
(1) Vgl. www.zorajankovic.com: Ausstellungen und Publikationen
(2) Vgl. www.centroscultura.ch: Künstler
(3) Eine der vorbereiteten, jedoch unbenützten Negativformen wurde zur Abschluss-Präsentation im Atelier aufgestellt.
(4) Die «Scuola di Scultura» besitzt ein grosses Lager mit unterschiedlichen Steinen, die nach Bedarf auf eine gewünschte Grösse zugesägt werden.
Marie Therese Bätschmann
CONCRETE / Galerie Rundgänger / 2019
Zora Janković (*1978, Ljubljana, Slowenien; lebt und arbeitet in Berlin) hat ihr Kunststudium in Rom begonnen, in Venedig fortgesetzt und 2016 als Meisterschülerin von Albrecht Schäfer an der Kunsthochschule Berlin Weißensee beendet.
Sowohl die Plastiken an der Wand als auch im Raum bestehen aus massivem Beton und werden als Ganzes gegossen. Sichtbar sind teilweise auch die Stahlelemente, die der Plastik Stabilität verleihen. Die Patina der Arbeiten ist mal glatt, mal rau und wird nach dem Guss nicht weiter bearbeitet, so dass man konkret mit den Arbeitsspuren konfrontiert wird. Die massiven und gleichzeitig fragilen Arbeiten erinnern an den Brutalismus, der vor allem in der Architektur zwischen den 50er und 70er Jahren angewendet wurde und sich heutzutage wieder großer Beliebtheit erfreut. Janković stellt aber keine architektonischen Modelle her, sondern überträgt den Gedanken der konkreten Materie in ein eigenständiges künstlerisches Denken.
Das Werk von Jankovićgeht allerdings über die Bildhauerei hinaus. Auch andere Medien und Techniken geben ihr die Möglichkeit, mit ihrem Formenvokabular zu experimentieren.
Das Negativ-Positiv-Prinzip, das sie auch von ihren Plastiken her kennt, setzt sich in der Beschäftigung mit der Fotografie in einem zweidimensionalen Medium fort. Dafür komponiert sie aus Papier, Pappe und Holz Raumkörper, die extremen Lichtverhältnissen ausgesetzt werden und so den Bildraum ad absurdum führen. Manchmal wirken die Fotografien auch wie mikroskopische Ausschnitte ihrer Plastiken. Bei der Druckgrafik erhält ein malerischer Effekt Einzug in ihr Werk, was vor allem an dem Aquatinta-Druck-Verfahren liegt, das auch schon Goya und Picasso für ihre grafischen Arbeiten schätzten.
Daniel Schierke
KONKRET / Galerie Bernau / 2018
Was sich im öffentlichen Raum als brutalistische Baukunst identifizieren lässt, wird gemeinhin nur von einem Spezialisten-Grüppchen goutiert. Diese Genießer der langsam wieder in den Diskurs einfließenden klobigen architektonischen Zukunftsverheißungen haben uns immerhin die Augen geöffnet für die Spezifik jenes Stils und seine Verankerung in den Utopievorstellungen der Moderne.
Die geometrischen Körper von Zora Janković lassen uns eine sanfte Gewalt des Konstruktiven spüren. Wenn man also Vergleiche ziehen wollte zwischen dem Beton-Purismus der Brutalisten und den Skulpturen von Zora Janković, wäre Jankovićs Formauffassung zuallererst als Essenz eines lyrisch-flächigen Licht-Schatten-Stils zu unterstreichen. Und deren melancholische Sanftheit, die sich insbesondere in den Parallelspuren ihrer künstlerischen Grafik und Fotografie offenbart, ist von ganz anderer Temperatur als alles, was als brutalistisch bezeichnet werden könnte.Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Janković ihre höchst verschiedenen Stofflichkeiten in Gestalt von Beton, Stahl, Papier und Licht zusammenführt, um die Diktatur des rechten Winkels gründlich zu desavouieren und zu erweichen. Entwickelt man einen Sensus für die so verstandene Eigenart ästhetischer Opposition stellt sich schnell ein fühlbares Vergnügen ein. Statt donnernder Paukenschläge komponiert Zora Janković ihre Skulpturen leichthändig, aber mit chirurgischer Präzision. Positiv- und Negativformen, zusätzlich farbig unterstrichen, ergeben in sich ruhende minimalistische Kubenformationen. Mal monolithisch wirkend, mal beschwingt wissen sie ihre als angenehm zu empfindende Raumpräsenz zu behaupten.
Christoph Tannert
27.SÄCHSISCHES DRUCKGRAFIK.SYMPOSION / Künstlerhaus Hohenossig / 2017
Zora Janković stammt aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana und lebt - nach mehrjärigem Aufenthalt in Italien - seit 2008 in Berlin. Sie studierte Fotografie, Design, Grafik und Bildhauerei in ihrer Geburtstsadt sowie in Rom, Venedig und Berlin. An der dortigen Kunsthochschule Weißensee erwarb sie 2015 ihr Diplom und ein Jahr später den Meisterschülerabschluss. Sie hat ihren Lebensmittelpunkt bis heute in der deutschen Hauptstadt. Ihr bildhauerisches OEuvre ist bestimmt von konstruktiven, den Raum ergreifenden und zudem in sich selber Räume schaffende Plastiken. Dafür nutzt Zora Janković sowohl Stahlelemente wie auch massiven Beton, in welchem sie die als Negativformen erarbeiteten Konstruktionen als Ganzes durch Guss ausführt. Die Verschränkung von negativen und positiven Formen gelingt der Künstlerin auch hin zu einer dynamisierten Wirkung. Bewusst alle Varianten von Grau in Kombination mit Schwarz und Weiß ausnutzend, schafft Zora Janković ganz eigene architektonische Stücke. Ein änliches Prinzip führt sie zu ihren fotografischen Arbeiten. Speziell für diese baut sie Raumkörperkonstruktionen, die sie kombinieren und variabel zusammenfügen kann. Für die Aufnahmen mit der Kamera spielt Licht als weiteres Element eine wichtige Rolle. Mit seiner Führung bestimmt die Künstlerin, was die Fotografie auch an Körperlichkeit transportiert. Die in der Radierung erfahrene Zora Janković hat sich in Hohenossig ganz bewusst herausgefordert, ihr plastiches Prinzip und den fotografischen Ausdruck in ein weiteres zweidimensionales Medium zu übertragen. In kraftvollem Schwarz/Weiß ist ihr dies in mehreren Blättern gelungen.
Christine Dorothea Hölzig
Formwandel / galerie weisser elefant / 2016
Zora Janković studierte vor allem Bildhauerei, aber auch Grafik und Fotografie in Ljubljana, Rom, Venedig und Berlin. Ihre konstruktiven, räumlich verschränkten Skulpturen können aus fragilen Stahl-Fragmenten komponiert sein oder bestehen aus massivem Beton, als geometrische Körper in Negativformen als Ganzes konzipiert und direkt im Guss ausgeführt. Zu deren Wirkung schrieb Matthias Bleyl genau beobachtend: „Anders als in der traditionellen Skulptur steigert hier die Farbgebung nicht die plastische Wirkung der oft mit geraden Linien und rechten Winkeln komponierten Objekte… Da diese aber – unabhängig von ihrer räumlichen Erstreckung – in drei Tönen erscheinen und selbst dem räumlichen Helldunkel unterworfen sind, treten Widersprüche zwischen Farbton und räumlicher Position auf. Diese führen letztlich zu einer Steigerung der ohnehin schon komplexenräumlichen Struktur.“ Zu ihrer Fotografie sagt die Künstlerin selbst: „Das Ergebnis sind durch Licht und Schatten abstrahierte zweidimensionale Arbeiten, die trotzdem ihre dreidimensionale Objektherkunft transportieren. Diese Fotografien mit ihren schwarz-weiß-Abstufungen, ihren Kontrasten und Schattenverläufen besitzen eine eigene Räumlichkeit innerhalb der fotografischen Struktur“.
Ralf Bartholomäus
KONSTRUKT / galerie haus 23 / 2014
Wohl kein anderer Kontrast ist derart grundsätzlich wie der Gegensatz von Hell und Dunkel. Dies gilt keineswegs nur für die Kunst, sondern ganz existentiell – man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, wie stark wir in den ständigen Wechsel von Tag und Nacht eingebunden sind. Treten zu den beiden Extremen Schwarz und Weiß noch Grautöne, als beider Mischung, so leisten diese drei unbunten Farbwerte in der Kunst die einfachste Verbildlichung von Plastizität auf der Fläche, am häufigsten wohl in grafischen Medien. Einen von Hell zu Dunkel modulierten, zweidimensionalen Gegenstand sehen und empfinden wir als Volumen. Außer Fotos, in denen einfache weiße Körper durch entsprechend harte Beleuchtung eine breite Spannweite von Grauwerten bis hin zum Schwarz erzeugen, fertigt Zora Janković Objekte durch Betonguss an, die außer ihrer schon meist komplexen Körperlichkeit auch noch Schwarz-, Weiß- und Grautöne zeigen. Mit der Oberfläche des mehr oder weniger grauen Beton haben sich nämlich teilweise noch schwarze und weiße Papierreste der nach dem Guss entfernten Verschalung fest verbunden. Es handelt sich also nicht um nachträgliche Retuschen oder eine Farbfassung zur Imitation eines stofflichen oder plastischen Effekts,sondern um eine materialbedingte, von vornherein einkalkulierte Farbigkeit der Objekte in Schwarz, Grau und Weiß. Anders als in der traditionellen Skulptur steigert hier die Farbgebung nicht die plastische Wirkung der oft mit geraden Linien und annähernd rechten Winkeln komponierten Objekte. Stellt man sich diese in einem Gedankenexperiment einfarbig vor, etwa nur grau, dann würde dem Auge über den Grad an Helligkeit bzw. Dunkelheit sehr genau die räumliche Position des entsprechenden Teils signalisiert. Da nun aber die Objekte, unabhängig von ihrer räumlichen Erstreckung, in drei Tönen erscheinen und diese selbst dem räumlichen Helldunkel unterworfen sind, treten Widersprüche zwischen Farbton und räumlicher Position auf. Diese führen letztlich zu einer deutlichen Steigerung der ohnehin schon komplexen räumlichen Struktur der Objekte.
Matthias Bleyl